Das Forschungsprojekt – Fragestellungen
Seit dem 1. Juli 2015 ist der Hochmeisterpalast Gegenstand eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts, das zum Ziel hat, sowohl die mittelalterliche Bau- und Funktionsgeschichte als auch die Wiederentdeckung und erste Restaurierung im frühen 19. Jahrhundert grundlegend zu erforschen. Das Projekt ist am Fachgebiet Bau- und Stadtbaugeschichte der TU Berlin (Prof. Dr.-Ing. Hermann Schlimme) angesiedelt und wird von Prof. Dr. Christofer Herrmann geleitet. Ziel ist es, die bauliche Struktur des Hochmeisterpalastes sowie die hierzu erhaltene schriftliche Quellenüberlieferung (Abb. 1) umfassend und systematisch zu erschließen und auszuwerten. Der fast unversehrt bis heute bestehende Bau wurde zu diesem Zweck durch eine genaue Dokumentation (3D-Laserscan, Raumbuch) (Abb. 2) sowie eine quellengestützte bauhistorische Analyse gründlich untersucht, um ihn anschließend in den Kontext der europäischen Residenzanlagen einzuordnen.
Das Forschungsprojekt umfasst zwei Schwerpunkte:
Der Schwerpunkt 1 beschäftigt sich mit der mittelalterlichen Entstehungs-, Bau- und Nutzungsgeschichte des Palastes. Er erstreckt sich über einen Zeitraum von 1331 (Baubeginn der ersten Palastes) bis 1457 (Ende der Ordensherrschaft in Marienburg). Behandelt werden unter anderem folgende Fragen: Gründung der Residenz, mittelalterliche Baugeschichte, Raumfunktionen (Kanzlei, Wohnbereich, Repräsentationsräume), Wohnkomfort und bauliche Innovationen (Stuben-Appartement, Dienergangsystem), Stilgeschichte und Baumeister, Alltags- und Festleben in der Residenz, europäische Bezüge.
Der Schwerpunkt 2 behandelt sie Wiederentdeckung der Marienburg am Ende des 18. Jahrhunderts (Besuch Friedrich Gillys 1794) und die darauf folgende Popularisierung des Deutschordenssitzes durch die Berliner Romantiker. Das besondere Interesse gilt der 1817 begonnenen ‚romantischen‘ Wiederherstellung des Mittelschlosses – das erste große Denkmalpflegeprojekt im modernen Sinn in Mitteleuropa. Initiator dieser Wiederherstellung war der Oberpräsident von Ost- und Westpreußen, Theodor von Schön (1773-1856), dem es gelang, zahlreiche wichtige Architekten und Forscher seiner Zeit zur Mitarbeit für dieses Vorhaben zu gewinnen (Costenoble, Schinkel, Moller, Büsching etc.). Folgende Aspekte sind Thema des Schwerpunkts: Marienburg und der Beginn der Romantik in Preußen; die ideologische ‚Indienststellung‘ der Marienburg für die preußische Geschichtspolitik; die Marienburg als Symbolbau der preußischen Reformer; die romantische Restaurierung (1817-1856) als erstes Projekt moderner Denkmalpflege in Mitteleuropa (Denkmaltheorie, Bauforschung, konservatorische Praxis).