Der Hochmeisterpalast – Geschichte und Bedeutung
Der riesige Baukomplex der Marienburg, seit 1309 die mittelalterliche Macht- und Verwaltungszentrale des Deutschen Ordens in Preußen, zählt zu den bedeutendsten und berühmtesten Werken der Burgenarchitektur in Europa. Die aus Backstein errichtete Burg gliedert sich in drei Hauptabschnitte: Im Süden liegt das ältere Hochschloss mit der Konventsburg, in der Mitte befindet sich das sog. Mittelschloss mit den Repräsentation, Wohn- und Verwaltungsräumen des Hochmeisters und nach Norden schließt eine große Vorburg mit Wirtschaftsfunktionen (Werkstätten, Ställe, Scheunen) an. (Abb. 1) Diese Homepage widmet sich einem speziellen Gebäude des Mittelschlosses – dem Hochmeisterpalast sowie dem daran anschließenden Großen Remter. Dabei handelt es sich um den architektonischen Mittelpunkt der Regierungsgebäude des Hochmeisters, eine der herausragenden europäischen Fürstenresidenzen des späten Mittelalters. (Abb. 2)
Ein erster ‚Palast‘, baulich noch sehr bescheiden ausgestattet, wurde von Hochmeister Luther von Braunschweig (1331-1335) errichtet. (Abb. 3) Das eigentliche Wohngebäude befand sich in einem älteren Wirtschaftsflügel (um 1300) der ersten Vorburg, den man diesem Zweck im Inneren umgestaltete. Als repräsentative Neubauten wurden nach Osten eine elegante Privatkapelle und im Norden der Große Remter errichtet. Der Remter diente als Hauptversammlungsraum für wichtige Versammlungen (z.B. die Land- und Generalkapitel) sowie als Ort der zweimal täglich stattfindenden Hofspeisungen für das Gefolge des Hochmeisters. Nach etwa 50 Jahren genügte der erste Palast nicht mehr den Wohn-, Repräsentations- und Verwaltungsanforderungen der Hochmeisters. Daher kam es unter Hochmeister Konrad Zöllner von Rotenstein (1382-1390) bald nach 1382 zu einer großen Erweiterung des Palastes (Bau 2). Die Bauarbeiten wurden um 1395 unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393-1407) abgeschlossen. Der damals entstandene prächtige Bau hat sich bis heute weitgehend unverändert erhalten. (Abb. 4)
Der Hochmeisterpalast besticht nicht nur durch die Modernität seiner architektonischen Formen, sondern auch durch eine ausgeklügelte Innenraumstruktur, die Repräsentationsabsichten, Verwaltungsnotwendigkeiten und private Komfortansprüche des Fürsten miteinander in Einklang brachte. Die Planungskonzeption des Palastes beruhte auf der Integration von Verwaltungsorganen (Kanzlei, Archiv) mit den Wohn- und Herrschaftsbereichen des Hochmeisters als jeweils örtlich fest installierte Einrichtungen. (Abb. 5) Damit wurden Prinzipien moderner Regierungs- und Verwaltungstechniken in der Zeit des Übergangs von der mittelalterlichen Reise- zur modernen Territorialherrschaft in gebaute Architektur übertragen. Der Hochmeisterpalast ist somit bauliches Resultat des Prozesses der ‚Verhofung‘ des Hochmeisteramtes im 14. Jahrhundert, bei dem es zu einer sukzessiven ‚Verfürstlichung‘ der Stellung der Person des obersten Ordensrepräsentanten kam. Im europäischen Vergleich kann der Hochmeisterpalast als der zu seiner Zeit modernste Residenzbau angesehen werden.
In nachmittelalterlicher Zeit kam es an der Marienburg mehrmals zu massiven baulichen Veränderungen durch Umnutzungen, Kriegsschäden und Restaurierungskampagnen, so dass wesentliche Teile Burganlage heute eher als ‚Denkmal der Denkmalpflege’ des 19./20. Jahrhunderts und nicht als architektonisches Zeugnis der mittelalterlichen Entstehungszeit zu interpretieren sind. Dies gilt jedoch nicht für den Hochmeisterpalast und den Großen Remter, deren Bausubstanz aus dem späten 14. Jahrhundert sich fast unversehrt erhalten hat. Aus diesem Grund ist der Palast mit seinem Umfeld ein besonders lohnender Gegenstand für die Forschung, da es nur noch wenige vergleichbare Residenzen dieser Zeit gibt, die sich in ihrer mittelalterlichen Struktur noch so authentisch erhalten haben.
Restaurierungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen hat es auch beim Hochmeisterpalast gegeben, sie griffen jedoch weniger stark in die Originalsubstanz des Baus ein, als in anderen Teilen der Burg. Historisch besonders wichtig ist der erste, die sog. ‚romantische‘ Restaurierung. Diese steht im Zusammenhang mit der Entstehung des modernen preußischen Patriotismus und der damit verbundenen Herausbildung der modernen Denkmalpflege in Preußen und Deutschland. Die Wiederentdeckung der Marienburg als historisches Monument geht auf Friedrich Gilly (1772-1800) zurück, der bei einem Besuch 1794 die verfallende Schönheit in romantisch anmutenden Zeichnungen festhielt. 1795 zeigte er zehn Aquarelle seiner Marienburgansichten auf der Berliner Akademieausstellung und löste damit eine erste Marienburgbegeisterung unter preußischen Intellektuellen aus. (Abb. 6) Der danach einsetzende Kampf um die Erhaltung der alten Ordensresidenz endete 1804 mit einem ersten Erfolg der Denkmalfreunde, als König Friedrich Wilhelm III. die Marienburg förmlich unter Schutz stellte. Die damals schon angedachten und ab 1817 schließlich in Angriff genommenen Restaurierungsarbeiten gehören zu den frühesten Denkmalpflegemaßnahmen im modernen Sinn auf dem Kontinent. Durch die Befreiungskriege hatte der symbolische Wert der Marienburg als Ursprungsort preußischer Geschichte enorm an Bedeutung gewonnen, was durch die Wiederherstellung des Hochmeisterpalastes im romantischen Geist unmittelbar zum Ausdruck kam. (Abb. 7) Die Architektur des Palastes wirkte in diesem Zusammenhang auch in besonderer Weise auf das Werk Karl Friedrich Schinkels und muss als ein Initialbau für die Entstehung des Historismus in Preußen angesehen werden.